Antibiotikaabgabe in der Tiermedizin

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat am 1.8.2014 die 

"Dritte Datenerhebung zur Antibiotikaabgabe in der Tiermedizin" veröffentlicht:


 


 

Was zunächst wie eine gute Neuigkeit klingt, nämlich: "Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken - geringe, aber zunehmende Abgabe von Antibiotika der jüngeren Generation", birgt in Wirklichkeit eine alarmierende Nachricht:


 

Seit Beginn der Datenerhebungen ist der Verbrauch der für die Humanmedizin besonders wichtigen Reserveantibiotika in der Tiermedizin sprunghaft angestiegen. 

Bei den Cephalosporinen der 3. Generation stieg die Abgabe innerhalb von zwei Jahren um bis zu 25 Prozent, bei den Fluorchinolonen sogar um bis zu 60 Prozent.


 

( Randbemerkung: das BVL hat am 29.8.2014 korrigierte Werte bekannt gegeben. Danach ist weiterhin ein signifikanter Anstieg von 15% bei den Cephalosporinen und von 50% bei den Fluorchinolonen zu verzeichnen. Die kurzfristige Korrektur der Werte läßt allerdings erhebliche Zweifel an der Qualität der erhobenen Daten aufkommen.)
 

Zusätzliche Brisanz erhalten diese Zahlen, wenn man berücksichtigt, daß diese Antibiotika der jüngeren Generation wesentlich geringer dosiert werden - bis zu einem Faktor 70 pro Therapiezyklus !


 

Wir wiederholen daher unsere Forderung, diese unverzichtbaren Antibiotikaklassen unverzüglich für den exklusiven Einsatz in der Humanmedizin zu reservieren !


 

Das Deutsche Tierärzteblatt schreibt in seiner Ausgabe vom September 2014 in einer Bewertung der Datenerhebung sehr zutreffend:


 

"A priori erscheint zunächst eine reine Mengenreduktion des Antibiotikaeinsatzes sinnvoll. 
Pauschale Forderungen nach Reduktion des Antibiotikaeinsatzes, ohne zugleich aber auch begleitende Maßnahmen sicherzustellen, sind nicht hilfreich. 
Möglicherweise ist die Verringerung der absoluten Abgabemengen im Erfassungszeitraum in den Jahren 2011 - 2013 in direktem Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion bezüglich der Auswirkungen der Antibiotikaresistenz auf die Therapiemöglichkeiten und zu den Forderungen zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes zu sehen. 
Durch den scheinbar weiter zunehmenden Einsatz von Antibiotika aus den Wirkstoffklassen der Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation wird eine ResistenzentwickIung unterstützt (Co-Selektion von Resistenzen durch sehr potente Antibiotika) und ihr nicht entgegengewirkt."


 

Zu diesem Thema erreicht uns auch folgende Stellungnahme von Dr. Hermann Focke, Tierarzt und ehem. Leiter des Veterinäramtes Cloppenburg:


 

Die Antibiotikalüge setzt sich fort.
,,Auch Halbwahrheiten sind Unwahrheiten“ ( Richard von Weizsäcker )

 
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
 
Zur Presseinformation des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 1.8.2014 möchte ich wie folgt Stellung nehmen:
 
In der Headline der o.a. Mitteilung an die Presse heißt es : ,, Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken – geringe, aber zunehmende Abgaben von Antibiotika der jüngeren Generation.“ Weiter heißt es: ,,Im Jahre 2013 sind insgesamt 1.452 Tonnen (t) Antibiotika von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärzte in Deutschland abgegeben worden sind. Dies sind  167 t weniger als im Vorjahr und gegenüber der ersten Erfassung im Jahr 2011 ein Minus von 250 t. Die Menge an Fluorchinolonen, deren Verwendung in der Tiermedizin wegen ihrer wichtigen Bedeutung für die Verwendung in der Humanmedizin kritisch gesehen wird, ist gegenüber der Vorjahresmeldung um 3 t und im Vergleich zu der Menge 2011 um 5 t angestiegen.“
 
Auf den ersten Blick also ein deutlicher Schritt in dem Bemühen um Antibiotikareduzierung in der Veterinärmedizin.
 
In der gesamten o.a. Presseinformation des BVL wird jedoch mit keinem Satz erwähnt, dass für die einzelnen Antibiotikagruppen unterschiedliche Dosierungen erforderlich sind. Ohne deren Berücksichtigung ist eine objektive Aussage über gehabte Einzeldosen und damit die genaue Anzahl der Antibiotika-behandelten Tiere nicht gegeben.
 
Im Gegensatz zu den Einlassungen des BVL komme ich zu einer wesentlich abweichenden Interpretation:

Die einzelnen Wirkstoffklassen werden, wie gesagt, unterschiedlich dosiert und unterschiedlich eingesetzt. So liegt z.B. die Dosierung für Tetracykline beim Schwein bei 85mg/kg/Tag. Man sollte Tetracykline bei der Therapie mindestens 5 Tage lang einsetzen. Die Dosierung für Fluorchinolon liegt bei 2,5mg/kg/Tag, drei Tage lang. Bei Chephalosporinen der 1./2. Generation liegt die Dosis bei 2mg/kg/Tag drei Tage lang. Daraus ergibt sich, dass man mit 1 Tonne Tetracyclin 39.000 Mastschweine mit einem Gewicht von 60 kg behandeln kann, mit 1 Tonne Fluorchinolon 2,2  Millionen und mit 1 Tonne Cephalosporinen der 1./2. Generation 2,7 Millionen !  Daraus ergibt sich wiederum, dass man mit 454 Tonnen Tetracyclin 17,8 Millionen Schweine behandeln kann, mit 13 Tonnen Fluorchinolonen 28,9 Millionen; allein in diesem Beispiel ein Mehr von 10 Millionen Einzeldosierungen !
  
Tatsache ist, dass die Reduzierungen bei Tetracyclinen, Penicillinen, Sulfonamiden und Makroliden durch Reserve-Antibiotika wie Fluorchinolon und Antibiotika der ,,jüngeren Generation“ erkauft worden sind, und eine Reduzierung der Anzahl Antibiotika-behandelter Tiere weitgehend nicht erreicht wurde.

Landespressekonferenz 4.6.2014

Human- und Tiermediziner warnen gemeinsam vor den Gefahren der Massentierhaltung

 

Am 4.​6.​2014 hat sich die "Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung" gemeinsam mit dem "Tierärztlichen Forum für verantwortbare Landwirtschaft" in der Landespressekonferenz Niedersachsen der Öffentlichkeit vorgestellt. 

Die Humanmediziner Dr. Imke Lührs und Martin Eikenberg sowie der Veterinär Professor Dr. Siegfried Ueberschär sehen die Massentierhaltung als einen der wesentlichen Auslöser der Antibiotika-Resistenzen an und fordern im Interesse der Gesundheit der Menschen eine Abkehr von der Massentierhaltung und unverzügliche Schritte von Seiten der verantwortlichen Politiker. 

 

Die Vorstellung hat ein großes Medienecho gefunden: 

 

NDR 04.​06.​2014: “Ärzte fordern Abkehr von Massentierhaltung” 

NDR 04.​06.​2014: Kommentar Claudia Plaß / NDR-Info: “Gemeinsam gegen Antibiotika-Resistenzen kämpfen” 

az-online 04.​06.​2014: “Aus dem Stall auf die Intensivstation” 

Deutschlandradio Kultur 04.06.2014: "Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung"

Radio Bremen 04.​06.​2014: “Gefahr durch multiresistente Keime – Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung” 

SAT.​1 Regionalfernsehen 04.​06.​2014: “Ärzte starten bundesweite Initiative gegen Massentierhaltung” 

Gandersheimer Kreisblatt 04.06.2014: "Bundesweite Ärzte-Initiative startet Kampagne gegen antibiotika-resistente Keime aus Massentierhaltung"

HAZ Titelseite 05.​06.​2014: “Ärzte: Massentierhaltung wird zum Risiko für die Gesundheit” 

- taz 04.06.2014: "Warnung vor resistenten Keimen: Ärzte gegen Massentierhaltung"

Weser Kurier, Bremen 05.​06.​2014: “Ärzte kritisieren Massen-Mast” 

Süddeutsche Zeitung 05.​06.​2014: “Gefahr aus dem Stall” 

Hamburger Abendblatt 05.​06.​2014: “Ärzte protestieren gegen Antibiotika in der Tiermast” 

Celle Heute 05.06.2014: "Bundesweite Ärzte-Initiative startet Kampagne gegen antibiotika-resistente Keime aus Massentierhaltung"

top agrar online 05.​06.​2014: “Jeder muss vor seiner Tür kehren” 

NDR 05.​06.​2014: ” Antibiotika: Meyer droht mit Stall-Schließung” 

Neues Deutschland 05.​06.​2014: ” Keimquelle Schweinestall” 

Rundblick Nord-Report 05.​06.​2014: “Ärzte machen Front gegen Massentierhaltung” 

dlz agrarmagazin 05.​06.​2014: “Neue Initiative: Ärzte formieren sich gegen Massentierhaltung”

nwzonline 05.06.2014: "Ärzte gegen Antibiotikaeinsatz bei Tieren"   

Diabolo / Mox 05.06.2014: "Bedrohliche Folgen" 

Landeskirche Hannover 06.06.2014: "Zum Wohl von Mensch und Tier"

- taz 09.06.2014 "Hilses Abwehrkräfte schwinden"  

- monagoo magazin 11.06.2014: "Ärzteinitiative fordert ein Ende der Massentierhaltung"